19,5km – 726m hoch – 499m wieder runter
Die Nacht war ruhig, obwohl ich wieder nicht durchgeschlafen habe. Das Frühstück war für tschechische Verhältnisse gehobene Klasse. Es gab gedeckte Tische für genau 2 Zimmer. Der übliche Käse-und-Kochschinken-Teller war da, ein Korb mit Kümmelbrot und Sesambrötchen. Alles wie immer. Aber hier gab es auch einen Kaffeeautomaten, ein Minibuffet mit Marmelade (sah selbstgemacht aus), Honig, Joghurt und endlich Saft!
Als ich loslaufen will kommt leider noch eine schlechte Nachricht aus der Heimat. Ich telefoniere noch mehrfach. Egal wie weit man läuft, die Probleme von daheim kommen mit. Halb 10 starte ich endlich.
Ich verlasse das ziemlich laute Tannwald über kleine Nebenstraßen bergauf. Die Häuser werden schöner, die Vorgärten gepflegter. Der Straßenlärm verschwindet. Das ist der große Unterschied zu Österreich: dort kann man noch so hoch in die Berge steigen, man hört oft noch irgend eine Autobahn oder Straßengeräusche. Im Böhmischen reicht ein kleiner Buckel und man ist wieder in völliger Einsamkeit und Stille. Das habe ich zu schätzen gelernt.
Erstes und wirkliches großes Highlight ist der Aussichtsturm bei Příchovice (Prichovitz). Nicht weil der Turm so toll ist, sondern weil im Turmfuß ein Museum untergebracht ist über Jára Cimrman (gesprochen: Zimmermann). Den kannte ich noch nicht und ich bin begeistert! Ich muss unbedingt mehr über den (vermutlich) größten tschechischen Nationalhelden lernen. Ok, die Aussicht vom Turm auf Prichovitz, Tannwald und Jeschken-Kamm war auch gut.
Dann ging es weiter durch extrem grüne Wiesen und Wälder, wie ich die sonst nur von Österreich kenne. Ziel war der 958m hohe Hvěsta (Stephanshöhe). Dort steht der angeblich schönste Aussichtsturm vom ehemaligen Gablonzer Gebirgsverein. Kann ich nicht ganz bestätigen, aber ich sehe deutlich die Bauten auf dem Kamm vom Riesengebirge. Die Sicht muss ich mir wie schon auf dem Jeschken mit sehr vielen Leuten teilen. Ein paar Schritte von der Zufahrtsstraße des Tums weg bin ich aber wieder alleine.
Auf Umwegen geht’s jetzt Richtung Iser. Den Abstecher zum Bunkermuseum schenke ich mir. Von denen hab ich jetzt genug gesehen.
Es geht weiter entlang der alten Bahnstrecke nach Harrachov (Harrachsdorf). Unterwegs ist ein kleiner Wasserfall wo ich meine Wasserflaschen wieder füllen kann. Angekommen an der Iser kühle ich meine Füße im eiskalten klaren Wasser.
Dann steige ich wieder auf bis nach Harrachov. Ich bin endlich im Riesengebirge angekommen. Und offenbar wieder im Westen. Was für ein Gegensatz zu den letzten Etappen. Geldautomaten, Wechselstuben, massenhaft Restaurants und haufenweise Läden, die allerlei unnützen Kram verhökern.
Die Verkäuferinnen und Kellnerinnen haben tiefe Dekolletés, die Gäste sind stark geschminkt oder haben dicke Bierbäuche. Überall rasen E-Bikes oder E-Roller rum.
Ich fühle mich trotzdem ganz wohl hier. Liegt vielleicht auch am sonnigen Wetter. Ist ein wundervoller Abend.
Ich habe eine nette kleine Pension im Zentrum. Wahrscheinlich das letzte Mal. Ab morgen bin ich dann ja auf dem Kamm unterwegs und vermutlich sind die Bauden nicht so großzügig ausgestattet. Also hab ich schnell meine Sachen nochmal durchgewaschen.
Da das Wetter unbeständig angesagt wird, mache ich noch keine weitere Planung nach der Reifträgerbaude morgen. Wird schon irgendwo ein Bett in den Bergen geben.
Fazit des Tages: Tschechen werden sich immer anpassen. (Zeile im Motivationslied von Aushilfslehrer Procházka in „The Conquest of the North Pole“)