17,4km – 506m hoch – 698 m wieder runter
Ich werde 7:30 von einem Hilferuf aus der Heimat geweckt. Ganz loslassen kann man mit der modernen Technik eben auch unterwegs nicht. Einer der beiden Gründe, warum ich das Handy größtenteils im Flugmodus betreibe. Der Akkulaufzeit hilft es allemal. Und das ist wichtig. Ich bin komplett ohne Karten unterwegs und auf die digitalen Helfer angewiesen. Zum Fotografieren nutze ich auch kaum noch die schwere Kamera und ziehe meist nur das Handy aus der Hosentasche.
Im Hotel gibt’s diesmal Frühstück inklusive, beim Preis von 72€ auch richtig.
Ich unterschätze meinen Aufenthalt in einem deutschen Quartier im Allgemeinen und in einer Rentnerhochburg im Besonderen. Nur 1/3 der Plätze sind belegt, aber verteilt an ALLEN Tischen. Dreimal frage wegen einem freien Platz an je einem mit 2 Leuten belegten 6-er Tisch: Nein, leider nicht frei. Die kommen noch. Aha. Ich geb auf, setze mich also wie gestern Abend einfach an die Bar und esse dort. Die Wirtin bring mir Kaffee und rollt verständnisvoll mit den Augen.
Die Obstauswahl ist gut, ein Luxus, den ich auf den vielen Dienstreisen lieben gelernt habe. Bei den ersten Frühstückstheken habe ich früher immer zu viel auf den Teller geladen. Rührei, Wurst usw brauche ich nicht. Nur sonntags. Wichtiger ist gutes Obst und Gemüse, Käse und guter Kaffee. Leider sehen viele tschechischen Pensionen das anders.
Das Wetter ist heute wieder gut. Die Strecke ist kurz. Könnte also ein schöner Tag werden.
Ich starte von der Rübezahlbaude entlang der Grenze. Mit Sonne sieht alles viel besser aus, also geht auch der Cotta-Weg entlang dem neu angelegten Moor. Ich laufe bis zum Falkenstein und freue mich über die Kletterfelsen. Der Sandstein ist noch nass, ich traue mich daher nicht hochzuklettern. Lust hätte ich schon.
Ich biege ab in Richtung Johnsdorf und komme dort zum Nonnenfelsen. Am Eingang zum Nonnensteig steht ein Vater mit seinen beiden Kindern. Ich hab keinen Mut, mit schwerem Rucksack, an noch feuchtem Felsen und ohne Kletterausrüstung den Klettersteig zu begehen. Sind zu viele negative Faktoren. Es kribbelt mir aber sehr in Armen und Beinen, denn ich kenne den Klettersteig schon und finde ihn wunderbar. Zwei Frauen kommen dazu, eine geschätzt 50, groß, schlank, sportlich. Die andere geschätzt 60, kleiner, aber flott. Wir kommen ins Gespräch. Die Große will den Steig machen, packt ihr etwas antiquiertes Kletterzeug aus. Die Kleine will fotografieren. Ich bleibe und unterhalte mich gut mit beiden. Die Große schwärmt vom Kaukasus, war letztes Jahr dort. Die Kleine erzählt mir, während wir gemeinsam den normalen Fußweg nach oben nehmen, dass beide aus Dresden sind und sich nur durch einen Wanderverein kennen. Ich finde beide irgendwie sympathisch. Oben warten wir noch gemeinsam auf die Querung der Kluft mittels Seilbrücke von der Großen. Die Kleine will das fotografisch festhalten. Am Ende dauert es mir aber doch zu lange und ich verabschiede mich. Ich denke, sie schaffen das noch gut.
Ich folge meinem Weg durch die Zigeunerwand und entscheide mich auch noch für den Abstecher zum Carolafelsen. Hier wimmelt es von preußischen Familien mit übergewichtigen Eltern und lauten schreienden Kindern. Nix wie weg, kleine Sandsteinformationen haben wir bei uns auch.
Ich laufe weiter zu den Jánské Kameny (Johannissteinen, 602m), auf die ich auch hochklettere. Leider ohne irgend einen Effekt, zu hoch sind die Bäume ringsum. Schade.
Weiter geht’s auf der Grenze entlang. Die Gaststätte Johannisstein ist interessant. Zwei Häuser, rechts und links der Grenze. Dort treffe ich auch auf die nächtsten Oberlausitzer. Ein älteres Pärchen nebst Sohnemann mit Freundin aus Leipzig. Offenbar sind die Oberlausizer sehr gesprächig. Opa braucht eine Pause und meine Bank ist die einzige Sitzgelegenheiten. Es folg ein nettes Gespräch, in das sich auch die jungen Leute einbringen. Cool.
Dann steige ich zum Hochwald (743m) auf. Dort mache ich kurz Rast und erklimme dann den Aussichtsturm. Der lohnt wirklich, wenn man Sicht hat. Ich sehe zum ersten Mal den Jeschken am Horizont. Ich sehe das Kraftwerk Turow, Oybin, und gefühlt alle Berge, die ich jetzt schon hinter mir hatte. Dann überquere ich vorerst ein letztes Mal die deutsch-tschechische Grenze zum tschechischen Gipfel vom Hochwald, dem Hvozd (750m). Dort steht das Gipfelkreuz zweisprachig: Einer trage des anderen Last. Das finde ich auf dem Doppelgipfel hier passend.
Der Abstieg bietet Ruhe, Ausblicke und schmerzende Füße. Habe aber genug Zeit. Unterwegs mache ich noch einmal Rast an einer Bank mit Blick in Richtung Sokol (593m) und auf die umliegenden Hügel. Nur das Summen von Insekten ist zu hören, kaum ein Windgeräusch. Die Sonne wärmt angenehm, ich rieche den typischen Geruch von Nadelwald im Sommer. Ich schließe die Augen und versuche diese Stimmung in mich aufzunehmen.
Das Quartier in Petrovice, eine Gaststätte mit Pension, ist verschlossen. Eine gebrochen Deutsch sprechende, etwas übergewichtige ältere Frau steht schon davor. Offenbar schon eine Weile. Sie schimpft und wartet. Ich rufe die Handy-Nummer vom Quartier an und genau 10 Sekunden später kommt der Wirt von der anderen Straßenseite aus dem Haus?!? Reden hilft bekanntlich.
Ich bekomme Zimmer Nr. 3 zugewiesen. Der Schlüssel steckte schon vorher von außen dran. Als ich mich im Zimmer breit mache kommt draußen ein gewaltiger Gewitterguss runter! Schwein gehabt. Kurz danach scheint wieder die Sonne.
Der Abend klingt mit schöner Abendsonne auf der Terrasse aus mit dem deutsch-russischen Paar (die gebrochen sprechende Frau und ihr noch dickerer deutscher Mann), einem tschechischen Vater mit seinem Kind und der Wirtfamilie. Ein Frauen-Pärchen hat sich nur kurz zum Essen gezeigt und ist dann gleich in die Pension verschwunden.
Die Tschechen quasseln ununterbrochen. Ich verstehe nur grob um was es geht. Leider verstehen die Tschechen auch gut Russisch. Ich bin daher der Außenseiter gegen meinen Willen, der dicke Deutsche ist der Außenseiter aus eigenem Willen. Nach 3 Bier ist Zeit fürs Bett.
Fazit des Tages: Einer trage des anderen Last – Jeden druhého břemena neste.